Es ist fünf vor zwölf an den zahnmedizinischen Fakultäten

Relativ lange schien es ruhig um das Thema "Curriculum und Spezialisierung" in der Zahnmedizin. Aber es war wohl nur die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Denn in der Zwischenzeit wurde die Ausbildung hochschulseitig umgestellt. Leider in eine für den Berufsstand und den ihm anvertrauten Patienten gefährliche Richtung.
Weil einige Professoren vorgeben, ihren gesellschaftlichen Auftrag zur umfassenden Studentenausbildung wegen einer nur ihnen ersichtlichen Wissensexplosion nicht mehr erfüllen zu können, werden in Göttingen schon 90 Prozent der Studierenden eines klinischen Semesters in einem von der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) konzipierten und von der Industrie gesponserten Curriculum in Implantologie unterrichtet. Dieses Curriculum umfasst die Teilnahme an Vorlesungen, Hospitationen und Übungen am Modell. Dafür werden den erfolgreich teilnehmenden Studenten vier von neun kostenpflichtigen Wochenendkursen der DGI-eigenen implantologischen Postgraduiertenfortbildung angerechnet.


"Der Trend geht eindeutig in Richtung Implantate", aber im Studium lernt man ja nur Basics, so die Reaktion von Studenten auf das zum regulären Lehrangebot erfolgte Add-on der Universität im Verbund mit der DGI und der Industrie.


"Was sollen die Universitäten die Studierenden lehren", fragte der Vizepräsident des Berufsverbands der Allgemeinzahnärzte in Deutschland (BVAZ) Dr. Roland Kaden anlässlich einer erweiterten Vorstandssitzung. "Die Grundlagen ihres Fachbereichs selbstverständlich, was denn sonst? Und zwar so umfassend, dass sie mit Erhalt ihrer Approbation und nach der zweijährigen Fortbildung als Ausbildungsassistenten die zahnmedizinische Versorgung breiter Bevölkerungsschichten sicherstellen können", so Kadens Antwort unter dem Beifall der anwesenden Allgemeinzahnärzte. "Wenn 90 Prozent der Zahnmedizinstudenten den Trend in einer palliativen Zahnersatzmedizin sehen, dann läuft es falsch an deutschen Hochschulen. Unser Fachbereich war, ist und wird immer die Zahnheilkunde sein. Und nicht die Zahnersatzkunde, in wie modernen Verkleidungen sie auch immer daherkommt", betont Kaden und unterstreicht damit den gesellschaftlichen Auftrag der universitären zahnmedizinischen Lehre. Allein daran habe die Hochschule die Lehre auszurichten. Es sei unärztlich und damit völlig unakzeptabel, dass Hochschullehrer den ihnen viel zu eng verbundenen Implantatherstellern und Fachgesellschaften gegen Geld die Türe dafür öffnen, schon während des Studiums ihre zukünftigen Kunden zu rekrutieren. Denn das sei das Ziel dieses Angebots.
Kaden weiter: "Der Trend der Zahnmedizin kann – damals, heute und auch morgen – nur die Prophylaxe von Schäden im stomatognathen System mit dem Ziel des Zahnerhalts und nicht ein noch so moderner Zahnersatz sein."
Dies sei, so der schleswig-holsteiner Allgemeinzahnarzt, ein deutlicher Beleg für die negative Entwicklung, die die Verquickung von Universitäten und Fachgesellschaften mit der Industrie und die Fokussierung vieler Lehrstühle auf Drittmittel mit sich bringe.
Kadens erneuter Aufruf an die Verantwortlichen: "Wir rufen erneut und zum wiederholten Male die Bundeszahnärztekammer und alle zahnmedizinischen Verbände und Organisationen dazu auf, dafür zu sorgen, dass auch künftig allumfassend zahnmedizinisch ausgebildete und zahnerhaltend geprägte Zahnärzte die Universitäten verlassen. Es ist fünf vor zwölf!"