Patientenselektion als Lehrinhalt ist Bankrotterklärung der Hochschule

Am 27.10.2010 prangerte der Berufsverband der Allgemeinzahnärzte in Deutschland (BVAZ) in einer Pressemitteilung die enge Verbindung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde (DGÄZ) mit einer Marketingfirma als schädlich für unseren Berufsstand an.  
Scheinbar lassen sich unter niedergelassenen Praktikern nicht mehr genug zahlungsbereite Mitglieder für kostenpflichtige Fortbildungen rekrutieren:
Die DGÄZ hat jetzt die unbedarften Zahnmedizinstudenten als Zielgruppe – oder sollte man Opfer sagen – entdeckt. Diese sollen sich, ob ihrer Unkenntnis der derzeitig gängigen Praxis zahnärztlicher Fortbildung, begeistert auf das Angebot der DGÄZ ein Curriculum für Studierende aufzulegen, stürzen. Oder soll der postulierte Mangel an Kursplätzen den Run erst erzeugen?  
"Das ‚StarterKit Ästhetik und Funktion‘ ist das erste strukturierte Curriculum für Zahnmedizinstudierende und Assistenten/-innen, um bereits während des Studiums eine hochklassige und strukturierte Ausbildung im Bereich der ästhetischen und funktionellen Zahnheilkunde zu beginnen." Dies natürlich nicht mit besonderem Blick auf den Zahnerhalt, sondern – wie könnte es anders sein – auf die Implantologie.
Dabei ist es Aufgabe der universitären Ausbildung einerseits, dem jungen zahnärztlichen Kollegen einen umfassenden Überblick über das doch begrenzte Gebiet der Zahnmedizin zu geben, andererseits soll sie ihn manuell für die zahnärztliche Tätigkeit befähigen. Da mutet das aufgeblähte Kursprogramm doch wie eine Lehrstunde nach den Leerstunden an.  
Steter Tropfen höhlt den Stein. So wird nicht einmal versucht, die Verbindung zur Industrie einigermaßen zu kaschieren: "Die moderne Zahnheilkunde bietet in Sachen Technik, Produkte und Verfahren viele hochspannende Entwicklungen, die im Lehrplan an den Universitäten vielleicht gerade mal gestreift werden – das sind aber die Bereiche…….. für den Praxiserfolg", so der DGÄZ-Vizepräsident PD Dr. Beuer aus München in der Quintessenz 2012;63(9). Hier bewahrheiten sich wieder einmal die Worte des Altmeisters zahnärztlicher Lobbyverbände, Jürgen Pischel, der die Aussage traf, dass es ein offenes Geheimnis sei, dass es innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) Fachgesellschaften gebe, die allein dafür gegründet worden seien, über die technische Ausstattung Selektionskriterien zu schaffen.  
So läuft also der Hase! Statt dafür zu sorgen, dass die Universität von einem berufsfertigen Zahnarzt verlassen wird, wird dem Studenten gleich noch eine Ausbildung während der Ausbildung verkauft. Warum setzt sich die DGÄZ nicht wie der BVAZ für eine studentische Ausbildung ein, die hochklassig und strukturiert ist? Weil es ums Geld geht! Es kann und darf aber nicht sein, dass Hochschullehrer ihren Lehrverpflichtungen nicht nachkommen, stattdessen jedoch postuniversitär und jetzt auch noch studienbegleitend ihre im Studium vernachlässigten Pflichten wie selbstverständlich und quasi als Nachhilfeunterricht kostenpflichtig erfüllen. An den Universitäten sollten die Studenten das Rüstzeug für praxistaugliche Konzepte erwerben! Sie sollten dort aber nicht lernen, wie es die DGÄZ auf Ihrer Homepage unumwunden fordert, wie man "finanzkräftige sprich renditekräftige Patienten zuungunsten normaler Patienten" selektiert.  
"Wir fordern zum wiederholten Mal alle zahnärztlichen Verbände und
Organisationen auf, mit dem BVAZ gegen diese unser Fachgebiet zersplitternden fortschreitenden Entwicklungen vorzugehen", fordert der Vizepräsident und Allgemeinzahnarzt aus Heide Dr. Roland Kaden. "Wie sagte unser Altbundespräsident Roman Herzog in seiner sogenannten Hauruck-Rede? ‚Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen, ich rufe auf zu mehr Selbstverantwortung. Ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft. Die besten Jahre liegen noch vor uns.’"